Das Atomabkommen ist noch nicht ausgereift, und die Sorgen Israels sind irrelevant.

Geschrieben von – Elijah J. Magnier:

Übersetzt von CHH

Alle US-Administrationen geben sich das falsche Ehre,  “das iranische Atomwaffenprogramm eindämmen” zu wollen, das Teheran bewusst nicht anstrebt! Tatsächlich hat der Iran kein Atomwaffenprogramm betrieben, nicht nur aufgrund der auf der Scharia basierenden Fatwa von Großajatollah Imam Ali Khamenei, sondern auch, weil er bewiesen hat, dass er keine Atomwaffen braucht, um sich zu verteidigen oder einen Feind wie Israel abzuschrecken. Irans nachgewiesene Raketen- und Drohnenfähigkeiten und sein Erfolg beim Aufbau vertrauenswürdiger, engagierter und ideologisch motivierter Verbündeter im Nahen Osten sind ein wichtiges Abschreckungsmittel. Israel und die US-Streitkräfte, die Teile des Nahen Ostens besetzen, haben die Fähigkeiten der iranischen Verbündeten bei früheren Konfrontationen im Libanon und im Irak zu spüren bekommen. Während Israel schreit, um etwas mehr Aufmerksamkeit in der Welt zu erlangen, wird der indirekte Austausch von Botschaften zwischen dem Iran und den USA weitergehen, bis die vollständige Befriedigung der iranischen Forderungen erreicht ist oder die Gespräche ausgesetzt werden. Es könnte sein, dass das Atomabkommen zwischen dem Iran und den USA gereift ist, aber die Zeit für die Ernte ist noch nicht reif.

Vor 2015 verfügte der Iran nur über wenige Raketen und Drohnen mit der gleichen Präzision und Zerstörungskraft, die er heute einsetzt. Dennoch hat Präsident Barack Obama verstanden, dass weder das israelische Geschrei noch die allmächtigen US-Militärbasen rund um Iran das iranische Atomprogramm abschrecken und Teherans Atomwissenschaftler an der Entwicklung von hoch angereichertem Uran und modernen Zentrifugen hindern können.

Die jahrelangen Verhandlungen über das “Atomabkommen”, das als “Gemeinsamer Umfassender Aktionsplan” (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) bekannt ist, lenkten die Aufmerksamkeit der Welt und vor allem der USA von Irans fortgeschrittenem Raketenprogramm ab, das Teheran auf ein noch nie dagewesenes Niveau gebracht hat. Als Präsident Joe Biden sein Amt antrat, hielt er deshalb die Rückkehr zum JCPOA für den einzigen Weg. Er ging jedoch fälschlicherweise davon aus, dass der Iran das Atomabkommen bedingungslos einhalten und jedes Diktat der US-Regierung akzeptieren würde – die selbst vor vier Jahren aus dem JCPOA ausgestiegen ist! 

Es dauerte einige Zeit, bis Bidens Regierung erkannte, dass der neue iranische Präsident Ibrahim Raisi sichdem JCPOA zu den Bedingungen des Irans verpflichtet fühlte, es aber nicht eilig hatte, ein Abkommen zu unterzeichnen, das nicht der nationalen Sicherheit des Irans entsprach. Raisi gestattete seinem Außenminister Hussein Amir Abdollahiyan, die Gespräche in Wien fünf Monate nach seiner Ernennung zu beginnen und brachte damit alle westlichen Erwartungen aus dem Gleichgewicht. Sayyed Raisi stellte klar, dass er “niemals Hoffnungen” in die Wiener Gespräche setzt.

Darüber hinaus hat Iran einen Mechanismus eingerichtet, der jede Regierung daran hindert, einseitige Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Abschluss des JCPOA zu treffen, indem er dem Majlis(Parlament) die Befugnis überträgt, das Atomabkommen vor seiner Unterzeichnung zu genehmigen. Die Untätigkeit Europas und die US-Sanktionen im Jahr 2018, als Donald Trump das Abkommen aufkündigte, deuteten dem Westen hinreichend darauf hin, dass der Iran der Wiederverpflichtung der USA ohne Garantien nicht trauen würde. Wenn der Westen den iranischen Besitz einer Atombombe – die der Iran nie gebaut hat – verhindern will, sollte er sich mit den Forderungen des Irans arrangieren, vor allem, weil sich die USA, und ganz sicher nicht der Iran, als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben.

US-Präsident Joe Biden nahm mit den europäischen Staats- und Regierungschefs in Berlin, Paris und London Kontakt auf – ein Schritt, der als Auftakt zu greifbaren Fortschritten beim Atomabkommen angesehen wurde. Ein weiteres positives Zeichen war die israelische Wut, die sich darin äußerte, dass sie “nicht besorgt sind, wenn das Atomabkommen unterzeichnet wird” und damit andeutete, dass sie den Iran angreifen könnten. Israel mag glauben, dass die Welt seinem ständigen Geschrei etwas Aufmerksamkeit schenken könnte. Tel Aviv hat verstanden, dass seine Feinde – der Iran und seine Verbündeten – eine überzeugende Abschreckungsfähigkeit erreicht haben und dass die israelische Bedrohung ihre Glaubwürdigkeit verloren hat.

Der europäische Vermittler Josep Borrell bestätigte, dass die iranischen Vorschläge “vernünftig” seien. Dennoch scheint die Meinung der europäischen Beamten in den Augen der US-Regierung nur wenig zu zählen, da Europa eine passiv-positive Rolle gegenüber den iranischen Vorschlägen einnimmt. Die Gespräche zwischen den USA und dem Iran scheinen weitere indirekte Diskussionen über die ausgesetzten Themen erforderlich zu machen.

Nach dem Austausch zwischen der iranischen Regierung und der letzten Antwort der US-Regierung ist es jedoch unvermeidlich, dass weitere Nachrichten ausgetauscht werden, da die von Iran geforderten ausreichenden Garantien fehlen. Die Verhandlungstür ist für die Diplomatie nie verschlossen, solange die beiden Seiten miteinander reden und schrittweise auf die Wiedereinführung des JCPOA hinarbeiten. Ungeachtet der aggressiven Haltung der USA gegenüber dem Iran seit 2018 zeigt Teheran weiterhin, dass es die Augen des Westens vor seinem Atomprogramm nicht verschließen wird. Es schaltet nicht alle verbleibenden 40 satellitengestützten Kameras der IAEO ab und hindert die IAEO-Inspektoren nicht daran, seine Atomanlagen zu besuchen.

Die USA haben keine anderen Mittel als die Inspektoren der IAEO und die in den iranischen Atomanlagen installierten Satellitenkameras, um die fortgeschrittene Nukleartechnologie zu überwachen. Teheran ist jedoch in der Lage, den Zugang der IAEO zu verhindern, und hat in der Vergangenheit Dutzende von Kameras als Reaktion auf die Sabotageakte der USA und Israels sowie auf illegale terroristische Handlungen im Iran abgeschaltet. Über 20 % der gesamten IAEO-Atomüberwachung ist dem Iran gewidmet, der nur 2 % der weltweiten Atomaktivitäten und -kapazitäten besitzt. Dies zeigt, wie flexibel und transparent der Iran ist und wie besorgt der Westen über die iranische Nuklearentwicklung ist.

Darüber hinaus greifen die USA immer wieder auf das alte Narrativ von den “drei geheimen iranischen Nuklearanlagen” zurück, um den Iran zu überrumpeln oder als Verhandlungsmasse zu nutzen. Der Iran hat sich geweigert, seine Einflussgebiete im Nahen Osten im Rahmen der Atomgespräche neu zu bestimmen. Stattdessen hat er zuvor seine Bereitschaft bekundet, über seine Präsenz und die Präsenz der US-Streitkräfte im Nahen Osten und ihrer Stützpunkte in mehreren Ländern rund um den Iran zu sprechen. Teheran ist bereit, über seine Rolle zu sprechen, wenn die USA bereit sind, ihre zerstörerische Rolle im Nahen Osten (Irak, Syrien, Libanon und Jemen) und den vollständigen Rückzug aus der Region zu thematisieren.

Der Iran hat die Verhandlungen über seine präzisen strategischen Raketen und bewaffneten Drohnen, die er in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, erfolgreich neutralisiert. Dies hat Israel verärgert, welches den Iran nicht von Angesicht zu Angesicht angreifen kann, ohne die volle Beteiligung der USA und deren Verpflichtung zum Krieg. Irans Präzisionsraketen können jedes Ziel in Israel treffen, wo sich die Heimatfront während dreitägiger Kämpfe mit dem “Palästinensischen Islamischen Dschihad” als brüchig erwies. Vor zwei Jahren zog Israel seine Truppen für acht Monate von den Grenzen zum Libanon ab, nachdem die libanesische Hisbollah mit Vergeltung für die Tötung eines Hisbollah-Kämpfers in Syrien gedroht hatte. Eine direkte Konfrontation Israels mit dem Iran würde im Nahen Osten an mehreren Fronten das Tor zur Hölle aufstoßen. Der Iran hat seine Verbündeten großzügig mit entsprechenden Präzisionsraketen, Drohnen, Schiffsabwehrraketen und viel Erfahrung in der Kriegsführung ausgestattet. Allein mit diesen Herausforderungen kann Israel konfrontiert werden, das nicht mehr in der Lage ist, den Iran oder seine Verbündeten herauszufordern

In den letzten Wochen hat die libanesische Hisbollah damit gedroht, einen Krieg gegen Israel zu beginnen, indem sie in dem umstrittenen Seegebiet nach Gas und Öl bohrt. Israel fällt es schwer, der Forderung der Hisbollah nachzugeben, ohne die derzeitige Regierung zu beschädigen, die in den kommenden Monaten voraussichtlich innenpolitische Wahlen abhalten wird. Die Konfrontation mit dem Iran ist ein anderes Thema, bei dem Israel mit einem verheerenden Krieg rechnen muss, wie es ihn noch nie erlebt hat.

Der Iran macht sich keine Sorgen über Israel oder die militärischen Fähigkeiten der USA. Teheran hat keine Zugeständnisse gemacht und verhandelt aus einer Position der Stärke, während der Westen die Rückkehr des Irans auf die Energiemärkte mit seinen 2,5 Millionen Barrel pro Tag fordert. Die westlichen Sanktionen gegen Russland haben zu einem Anstieg des Ölpreises geführt, der in den letzten Monaten von 140 Dollar pro Barrel in der Spitze auf 100 Dollar pro Barrel in der letzten Augustwoche gestiegen ist, ein Preis, der die westlichen Kassen der Energie importierenden Länder erschöpft hat.

Es ist nicht mehr verwunderlich, dass die Inflationszahlen im Iran nach 43 Jahren Sanktionen auf 41,5 Prozent gestiegen sind, während der Rest der Welt ebenso leidet. Die Inflationsrate in den reichen, sanktionsfreien Ländern der Europäischen Gemeinschaft lag zwischen 9,8 und 21,3 Prozent (Lettland), und die Inflation in den Ländern der Nordatlantikvertragsorganisation (NATO) erreichte 79,8 Prozent (Türkei). Gleichzeitig stiegen die Energiepreise in Europa von 39,7 Prozent auf 42 Prozent. Das bedeutet, dass die US-Sanktionen, die sich gegen ihre Urheber richten, Länder und Regierungen nicht mehr dazu bringen können, sich der US-Hegemoniepolitik zu unterwerfen. Die besten Beispiele sind Kuba, Iran und Venezuela, die sich seit Jahrzehnten gegen die US-Dominanz wehren.

Neben seinem Raketenprogramm hat der Iran bemerkenswerte Fortschritte im Nuklearbereich gemacht und Generationen von Atomwissenschaftlern hervorgebracht, obwohl mehrere seiner Atomwissenschaftler ermordet wurden, zuletzt Mohsen Fakhrizadeh. Das Land hat sich ein sehr fortschrittliches Nuklearwissen angeeignet, vor allem bei der Herstellung von Spezialbrennstoffen und von 5 % bis 60 % angereichertem Uran. Iran hat Zentrifugen von der ersten Generation, die im JCPOA zugelassen ist, bis hin zur sechsten und neunten Generation entwickelt, die den strengsten westlichen Sanktionen unterliegen. Das iranische Atomprogramm war militärischen und Cyber-Sabotage-Operationen und einer strengen internationalen Kontrolle unterworfen, ohne dass die iranischen Fähigkeiten in mehreren strategischen Bereichen beeinträchtigt wurden. Kein künftiges Abkommen kann das Niveau der fortgeschrittenen Technologie im Nuklearbereich, das der Iran erreicht hat, verringern.

Der Iran erklärt, dass das Atomabkommen erst mit seiner Unterzeichnung abgeschlossen ist und dass die Atmosphäre von Optimismus oder Pessimismus nicht berücksichtigt werden sollte. Folglich wird der Tag der Ankunft des iranischen Außenministers Hossein Amir Abdollahian und des US-Außenministers Anthony Blinken der Tag sein, an dem das Abkommen unterzeichnet und abgeschlossen wird. Das voraussichtliche Datum des Treffens steht jedoch noch nicht fest, und es sind weitere Verhandlungen erforderlich, um das Atomabkommen zu “ernten”, auch wenn es bereits ein fast ausgereiftes Stadium erreicht hat. In der Zwischenzeit setzt der Iran seine Orientierung fort und konsolidiert seine Fähigkeiten und Allianzen in West-, Zentral- und Südasien. 

Irans Bestreben, Israel abzuschrecken, und seine Ablehnung der US-Dominanz sind erreicht worden. Die iranische Regierung wird nicht endlos mit der US-Regierung verhandeln, selbst wenn die iranische Wirtschaft von einer Aufhebung aller Sanktionen profitieren würde. Die iranische Toleranz ist nicht grenzenlos, und der Iran hält sich die Option offen, ab einem bestimmten Punkt seine Türen zu schließen.

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