Trump begnadigt Blackwater Auftragnehmer: “Warum hassen sie uns”?

Von Elijah J. Magnier

Übertragen von: CHH

Das erste Mal, dass ich die Auftragnehmer von Blackwater in Aktion sah, war eines Morgens im Jahr 2005, auf der al-Mansour-Straße in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Mitten auf der Brücke stiegen die schwer bewaffneten Auftragnehmer aus einem Fahrzeug aus, das nach Norden fuhr, blockierten den Verkehr, indem sie mit ihren Maschinengewehren in alle Richtungen zielten, auch in meine, und brachten etwas, das eine VIP-Person zu sein schien, die sie beschützten. Dann sprangen sie in ein anderes Fahrzeug mit getönten Scheiben, das in die entgegengesetzte Richtung fuhr. Für einen Moment erstarrte jeder auf der Straße aufgrund der Aggressivität und des bedrohlichen Verhaltens der Auftragnehmer, in der Erwartung, Kugeln umherfliegen zu sehen – bis zu dem Punkt, an dem der Fahrer sich duckte und vergaß, auf die Bremse zu treten, so dass sein Auto auf das des Vordermanns auffuhr. 

Die Präsenz der Blackwater-Kontraktoren war unabhängig von irakischen Entscheidungen und Kontrollen, da sie direkt mit der US-Regierung verbunden waren, die das Zweistromland seit 2003 verwaltete.

Es war nicht ungewöhnlich, dass ein US-Humvee das Feuer auf ein ziviles Fahrzeug eröffnete, weil die US-Einsatzregeln nicht beachtet wurden, die in der Praxis unmöglich einzuhalten waren. In der Tat trug der letzte Humvee eines US-Konvois eine Tafel, die alle Fahrzeuge aufforderte, 100 Meter Abstand zu halten. Es war fast unmöglich, die Tafel aus 100 Metern Entfernung zu lesen, was wiederum die Zivilisten dem tödlichen Feuer aussetzte.

Die Begegnung mit einem US-Konvoi auf der Autobahn in Bagdad (Nord oder Süd) war eine weitere schwierige Herausforderung. US-Konvois fahren auch auf Autobahnen mit einer konstanten Durchschnittsgeschwindigkeit. Es war nicht erlaubt, den Konvoi zu überholen. Die Iraker fanden eine riskante Lösung, indem sie auf der gegenüberliegenden Seite des Highways fuhren und damit ein enormes Kollisionsrisiko eingingen. Das größte Problem war, wenn ein anderer Konvoi aus der Gegenrichtung kam und den ersten Konvoi auf der anderen Straßenseite passierte. In diesem Moment erstarren alle Fahrer und heben die Arme in die Luft aus Angst, beschossen zu werden.

In den ersten sieben Jahren der US-Besatzung des Irak war das Risiko, versehentlich getötet zu werden, aus zahlreichen Gründen extrem hoch. Blackwater-Auftragnehmer taten dies 2007 am Nisour-Platz, als sie das Feuer auf Menschen auf der Straße eröffneten und dabei 17 Zivilisten töteten und 24 verwundeten. Es gab nie eine Rechenschaftspflicht für das Fehlverhalten der USA, für Massaker oder Folterungen im Irak.

In der Realität war das Blackwater-Massaker von Nisour 2007 nicht der Beginn. Im Jahr 1996 reagierte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Madeleine Albright, auf den Tod von einer halben Million irakischer Kinder, der durch die US-Sanktionen gegen das Land verursacht wurde, mit den Worten “das ist es wert“. Die Invasion 2003 und der Irak-Krieg hinterließen Hunderttausende von toten oder verwundeten Irakern. Im Jahr 2004 bestätigten Bilder aus dem von den USA geführten Gefängnis Abu GhGhraibn im Irak die “sadistischen und kriminellen Misshandlungen” irakischer Gefangener durch die USA. 

Im selben Jahr der US-Besatzung löste Paul Bremer, der US-Zivilverwalter des Irak, die irakische Armee auf und entließ 400.000 Männer ohne finanzielle Mittel und Rechte nach Hause. Viele von ihnen liefen direkt in die Arme von al-Qaida im Irak (die sich in die Terrorgruppe “Islamischer Staat” ISIS, ISIL oder Daesh verwandelte). 2009 schlossen die USA das US-Gefangenenlager Camp Buca, das sich zu einer Dschihadisten-Universität entwickelt hatte. Hier rekrutierten Terroristenführer ihre Männer, um später, wenn sie von den Amerikanern freigelassen wurden, den Irak zu bekämpfen und zu terrorisieren. 2010 zeigte ein geheimes US-Video einen Apache-Hubschrauberangriff, bei dem ein Dutzend irakische Zivilisten getötet wurden, darunter zwei Reuters-Nachrichtenmitarbeiter. 

Es gab keine Verantwortlichkeit für die vielen Opfer. Diese wurden unnötigerweise durch die völlige Unkenntnis der US-Administration über die irakische Kultur oder wenigstens einen angemessenen Plan für die Zeit nach der Besetzung verursacht, einer Besetzung, die durch den fälschlicherweise behaupteten Besitz von Massenvernichtungswaffen gerechtfertigt wurde.

Warum sollte sich der Irak gegen die Begnadigung von vier Blackwater-Auftragnehmern durch US-Präsident Donald Trump auflehnen? Weil die Iraker glauben, dass ihr Leben nicht länger wertlos ist, und dass die Zeit für die Rechenschaftspflicht gekommen ist. Die Iraker sind heute viel wütender und weniger gewillt, sich der dominanten Macht der US-Streitkräfte zu unterwerfen. Im Jahr 2001 wandte sich der ehemalige Präsident George W. Bush an die Nation und sagte: “Warum hassen sie uns?”. Er glaubte, dass es daran lag, dass die Menschen im Nahen Osten die US-“Demokratie und Freiheit” hassten. Das aber ist genau das, wonach die Iraker suchen: Verantwortlichkeit unter Demokratie und Freiheit. Die Freiheit zu leben und die Freiheit, die Verbrecher, die für die von ihnen begangenen Massaker verantwortlich sind, vor Gericht zu stellen und ihr Fehlverhalten eingestehen zu lassen.

Das irakische Parlament hat nach der rechtswidrigen Ermordung des irakischen Hashd al-Shaabi-Befehlshabers Abu Mahdi al-Muhandes und des iranischen Brigadegenerals Qassem Soleimani ein verbindliches Dekret erlassen, das die US-Truppen zum Verlassen des Landes auffordert. Der Irak sagt “genug” zum Machtmissbrauch der USA, der Missachtung der irakischen Souveränität und dem völligen Fehlen von Rechenschaftspflicht seitens der USA. Was Donald Trump getan hat, ist für die Iraker inakzeptabel und kann niemals vergessen oder aus ihrem Gedächtnis getilgt werden. Der Irak wird den designierten Präsidenten Joe Biden nicht anders begrüßen als seinen Vorgänger und ist bereit, sich zu wehren, um alle US-Truppen um jeden Preis aus dem Land zu bekommen. Der Irak sagt, dass der Tag der Abrechnung gekommen ist: Es ist Zeit für die USA, die Rechnung zu bezahlen.

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